Das Quartier U1 – wie die U-Bahn eine Stadt verbindet

Das Quartier U1 – wie die U-Bahn eine Stadt verbindet
Ein Artikel von Christian Dudasch, Ida Hinterholzinger und Alexander Bernhardt im Rahmen ihres Journalismus-Studiums an der Hochschule Ansbach.

Chris Herrmann öffnet die Türe. Der etwa 30 Jahre alte Projektleiter ist voller Tatendrang. Es ist kurz vor 15 Uhr im Nürnberger Süden. Gleich beginnen die ersten Beratungsgespräche für die Akteursprojekte. Beim Amt für Ideen kann jeder seine Idee vorstellen. Gemeinsam mit Herrmann wird dann ein Projekt daraus entwickelt. „Hier darf jeder seine Ideen einbringen, abgelehnt wird fast gar nichts“, erklärt der Kommunikationsdesigner. „Nur Konzepte, bei denen eindeutig das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht, sind nicht in unserem Sinne.“ Die Wände des Büros im Z-Bau sind mit diversen Aufklebern und Plakaten der Projekte verziert.

Punkt drei Uhr Nachmittag trifft sich Herrmann digital mit dem ersten Akteursprojekt. Es ist bereits das zweite Gespräch mit Marissa, der Leiterin von „LOKO“. Sie fasst die Grundidee noch einmal zusammen: „Unser Ziel ist es Plätze zu finden, die wir mit Graffitis verschönern können“. Erste Fortschritte zeigen sich beim Entwurf des Flyers. „Informativ, übersichtlich und kompakt. Alles, was ein guter Flyer braucht“, resümiert Herrmann. Nachdem die Hausaufgabe ausführlich besprochen wurde, spricht der Projektleiter des Quartier U1 die Finanzierung an. 400 Euro bekommt „LOKO“ an Zuschuss. Das steht für jedes Projekt, das Unterstützung beim Amt für Ideen sucht, zur Verfügung. Dafür muss lediglich ein Projektplan ausgefüllt werden. Das Geld kann dann beispielsweise in Sprühdosen investiert werden. Der letzte wichtige Punkt im Gespräch umfasst die Zusammenarbeit mit amtlichen Stellen. „Ich habe da zum Beispiel an das Jugendamt gedacht, da finden sich bestimmt Leute, die euch dabei unterstützen“, erklärt Chris Herrmann. Am Schluss des Gesprächs vernetzt der Projektleiter Marissa mit der zuständigen Behörde.

Herrmann zeigt sich mit der Entwicklung von „LOKO“ sehr zufrieden. In der kurzen, zehnminütigen, Pause resümiert er über das Projekt und bereitet das nächste Gespräch vor. Annedore ist Kreischorleiterin und organisiert ein Projekt, bei dem Chöre trotz der aktuellen Einschränkungen durch COVID-19 gemeinsam proben können. Als möglicher Ort soll das Dach eines Parkhauses gewählt werden. „Dort kann man sich auch mit Einhaltung des nötigen Sicherheitsabstandes treffen und gemeinsam singen“, erklärt Annedore. Nach knapp 20 Minuten ist auch dieses Projekt erfolgreich beraten und mit Aufgaben bis zum nächsten Treffen in der Sprechstunde versorgt.

Gemeinsam mit seinem Team ist Chris Herrmann als Projektleiter beim Amt für Ideen seit Beginn Teil des Quartier U1 vom Urban Lab Nürnberg. Das Quartier U1 ist eines von vier Pilotprojekten Deutschlandweit, die für Stadtentwicklung mit Bürgernähe stehen. Die Idee dahinter ist das gemeinsame Gestalten der Stadt Nürnberg zusammen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Im vergangenen Jahr standen für das Urban Lab dabei vor allem die Planung und Netzwerkerweiterung im Vordergrund, 2020 geht es an die Umsetzung. Dabei stehen drei wesentliche Merkmale im Fokus: Freiräume, Enkeltaugliche Zukunft und Gemeinsinn. „Die Stadt wird immer enger und teurer. Wir möchten Flächen und Räume mit Ideen besetzen und somit nutzbar machen. Also Freiräume schaffen“, erklärt Sebastian Schnellbögl, Leiter der Kommunikation beim Quartier U1. Die Stadt soll auch auf längere Sicht für spätere Generationen lebenswerter Raum bleiben und das alles am besten gemeinsam. „Wir möchten für mehr Zusammenhalt sorgen und zeigen, dass wir mehr sind als nur individuelle Satelliten“, so Schnellbögl. Das Quartier soll Stadtteile verbinden und somit die Grenzen fließend verlaufen lassen. Es erstreckt sich auf eine Länge von etwa neun Kilometern und insgesamt zwölf U-Bahn Haltestellen. Hört man sich unter den Bewohnern Nürnbergs um, scheinen gerade die eigenen Möglichkeiten etwas zu verändern, für viele überhaupt nicht vorhanden. Genau da setzt das Projekt Quartier U1 an und holt alle die ab, die spannende und gemeinnützige Ideen haben. Unterstützung erhält das Pilotprojekt dabei von der Nationalen Stadtentwicklungspolitik, der Stadt Nürnberg selbst, aber auch von weiteren Partnern, wie der VAG, dem Straßenkreuzer oder dem Quellkollektiv.

Teile der Gelder für das Quartier U1 stehen dabei auch explizit für die Förderung der Akteursprojekte zur Verfügung. Anfang des Jahres wurden aus den angemeldeten Ideen 19 ausgewählt, die in der ersten Periode des Quartier U1-Projekts gefördert werden. Bis Juli 2020 haben diese Projekte Zeit, mit finanzieller Unterstützung, aber auch Hilfe bei Planung, Raumfinden und Behördenkontakt ihre Ziele umzusetzen. Im kommenden Jahr wird dann alles ausgewertet und nachbesprochen. 2021 läuft die dreijährige Projektlaufzeit von „Quartier U1“ aus. Das Team arbeitet allerdings schon an einem Amt für Ideen, das seinen festen und langfristigen Platz in Nürnberg bekommt und damit die Veränderung durch die Bevölkerung in der Stadt so niedrigschwellig wie möglich fördern kann.

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